Dieser Beitrag wurde von Dr. Nikola Klün - Kinderärztin, in der Weiterbildung zur Kinder-und Jugendpsychotherapeutin verfasst. Über Ihren Blog und Podcast Kinderleibundseele klärt Sie Eltern auf und teilt Ihr umfangreiches Wissen aus Kindermedizin und Kindergesundheit.
Auf den ersten Blick mag es frischgebackene Eltern kurz verwirren und überfordern. Kaum ist das neugeborene Baby drei Tage alt, bekommen sie das „gelbe Heft“ im Krankenhaus ausgehändigt mit der Bitte in den nächsten Wochen, Monaten und Jahren eine Reihe an Untersuchungen beim Kinderarzt für das Kind wahrzunehmen. Gerade im ersten Lebensjahr des Kindes findet man sich mit den U-Untersuchungen und den Impfungen öfter beim Kinderarzt wieder, als man sich das vielleicht vorher so vorgestellt hat.
U-Untersuchungen: Pflicht oder freiwillig?
Die Kindervorsorgeuntersuchungen beim Kinderarzt sind unglaublich wichtig. Hier können Fehlbildungen, Entwicklungsverzögerungen, Krankheiten, psychische, familiäre Problematiken und alle Belange, die das Leben mit Kind betreffen, entdeckt, aufgedeckt und angesprochen werden. Denn je früher eine Auffälligkeit entdeckt wird, desto besser können wir die Kinder und Familien unterstützen, fordern und ihnen die Unterstützung zukommen lassen, die sie brauchen. Anmerkung: Seit 2008 bzw. 2009 sind die U1 bis U9 in Bayern, Hessen und Baden-Württemberg verpflichtend. In den übrigen Bundesländern sind die U-Untersuchungen bei Kindern nicht verpflichtend. Eltern, die ihre Kinder allerdings nicht zur Vorsorgeuntersuchung bringen, erhalten eine schriftliche Einladung zur U-Untersuchung.
Welche U-Untersuchungen gibt es: Baby und Kleinkind (U1 -U9)
erstes Lebensjahr: U1 bis U6
zweites bis fünftes Lebensjahr: U7, U7a, U8, U9
siebtes bis zehntes Lebensjahr: U10
neuntes bis elftes Lebensjahr: U11
zwölftes bis vierzehntes Lebensjahr: J1
sechzehntes bis siebzehntes Lebensjahr: J2
U1-Unteruchung
Die erste U-Untersuchung findet übrigens in den ersten Minuten nach der Geburt statt. Sie ist auch die einzige U-Untersuchung, die nicht zwangsweise durch einen Arzt durchgeführt werden muss. Wenn es dem Frischgeborenen gut geht, untersucht die Hebamme das Baby auf Fehlbildungen und checkt die lebenswichtigen Funktionen.
U2-Untersuchung
Alle anderen U-Untersuchungen werden dann vom Arzt durchgeführt. Üblicherweise findet dabei die zweite U-Untersuchung noch im Geburtskrankenhaus durch den dortigen Kinderarzt statt. Dieser wird das Baby wortwörtlich von Kopf bis Fuß untersuchen, wird Herz und Lungen abhören, den Bauch abtasten, die Haut und das Genital beurteilen und anschließend die Neugeborenenreflexe auslösen. Hier wird es für die Eltern schon aufregend, denn von außen mag das Untersuchen der Reflexe und die Turnübungen, die der Kinderarzt mit dem kleinen Wurm macht für die vorsichtigen Eltern etwas abenteuerlich aussehen. Zur U2 gehören außerdem ein Hörtest und am Vortag wird nach Einverständnis der Eltern das Neugeborenenscreening abgenommen.
U3- Untersuchung
Erst ab der U3 findet man sich normalerweise beim niedergelassenen Kinderarzt wieder. Und ab jetzt beginnt eine lange Beziehung: der Kinderarzt lernt Kind und Familie kennen, wird oft zu einer engen Vertrauensperson und sollte die Familie und das Kind so kennenlernen, dass er oder sie ein Gefühl dafür entwickelt, wie das Kind sich in Gesundheit verhält. Umso leichter ist es dann auch, ein Kind richtig einzuschätzen, das krank ist.
Neben der körperlichen Untersuchung wird der Kinderarzt bei der U3 auch ein Ultraschall der Hüfte durchführen, um zu sehen, ob der Hüftkopf gut in der Hüftpfanne sitzt.
U4 bis U6- Untersuchung
Im ersten Lebensjahr wird man von der U3 bis zu U6 noch 4 mal beim Kinderarzt vorstellig werden. Der Schwerpunkt liegt neben der körperlichen Untersuchung auf der motorischen Entwicklung, auf dem Trink-, Essverhalten, und auf dem Schlafverhalten. Möglichst früh wollen wir erkennen, ob ein Kind seine Meilensteine erreicht und sich seinem Alter entsprechend entwickelt. Dabei ist die Bandbreite an dem was „normal“ ist, wahnsinnig breit. Jedes Kind hat sein eigenes Tempo und doch wollen wir nicht verpassen, wenn es in einem Bereich Förderbedarf zeigen sollte.
U-Untersuchung (U7-U9): Kinder im Kindergarten
U7- Untersuchung: Welche Tests erwarten mein Kind?
Vor der Einschulung wird das Kind dann insgesamt noch viermal untersucht.
Die U7 und U7a Untersuchung findet mit zwei Jahren statt.
Bei der U7 steht die Sprach- und Hörentwicklung des Kindes im Vordergrund. Der Kinderarzt wird im Rahmen der Untersuchung überprüfen, ob das Kind etwa 250 Wörter verstehen und mindestens 20-50 Wörter sprechen kann, sichere Zwei-Wort-Kombinationen verwendet, bekannte Tierbilder benennen kann, Aufforderungen folgt und seinen Vornamen nennen kann.
Manche Kinder tun sich aber schwer, beim Kinderarzt ihre Schüchternheit oder ihre Angst ganz abzulegen und deswegen ist der Kinderarzt für eine gute Beurteilung auch im Wesentlichen auf die Einschätzung der Eltern angewiesen und wird den Eltern einen Fragebogen zur Sprachentwicklung aushändigen. Falls sich das Kind nicht altersgemäß entwickelt, ist eine individuelle Förderung wichtig.
Je größer die Kinder sind, desto mehr Bereiche müssen die Kinderärzte bei den U-Untersuchungen abdecken: hört und sieht das Kind richtig? Kann es auf einem Bein hüpfen? Wie entwickelt sich der Wortschatz, kann das Kind sich altersgerecht ausdrücken? Wächst und gedeiht es innerhalb seiner Perzentile? Wirken das Kind und die Familie seelisch gesund? Gibt es eventuell sogar Hinweise auf körperlichen Missbrauch? In den U-Untersuchungen versuchen die Kinderärzte Augen und Ohren für all diese Bereiche zu haben, um möglichst nichts zu übersehen.
U-Untersuchungen: Kind im Schulalter
Die U10, U11 und J1 begleiten die Kinder und Jugendliche bis ins pubertäre Alter. Den Kinderärzten ist nun besonders wichtig, als Vertrauensperson des Kindes und Jugendlichen fungieren zu können und als Ansprechpartner für körperliche und seelische Belange wahrgenommen zu werden.
Auch für uns Eltern sind die U-Untersuchungen wichtig. Wir Eltern dürfen und sollen alle Themen, die uns beschäftigen, ansprechen können und in einem guten Kinderarzt eine Vertrauensperson der Familie sehen!
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