Die meist gestelltes Frage an mich als Logopädin ist: "Wie viele Wörter soll mein Kind sprechen?" Eine pauschale Antwort ist gar nicht so einfach. Manche Kinder lernen früher ihre ersten Wörter zu sprechen, andere lassen sich länger Zeit. Und wir wollen den Kinder diese Zeit auch geben, denn jedes Kind ist einzigartig und entwickelt sich in seinem Tempo!
Dennoch gibt es bestimmte Meilen- und Grenzsteine der Sprachentwicklung die sehr wichtig sind!
Was bedeutet Meilenstein in der Sprachentwicklung?
Ein Meilenstein ist der Zeitpunkt, an dem ein Kind eine Fähigkeit zum ersten Mal zeigt. Bei Meilensteinangaben in der Entwicklung von Kindern geht man immer von Durchschnittswerten aus. Meilensteine geben den Entwicklungsbereich der 50. Perzentile an, d.h. den Wert, den die Hälfte der Kinder in der Normpopulation erreicht (vgl. Michaelis et al. 2013).
Was bedeutet Grenzstein im Spracherwerb?
Grenzsteine sind Entwicklungsziele der Entwicklung, die 90-95% der Kinder zu einem bestimmten Alter erreichen (Michaelis et al. 2013). Also das Alter, an dem mind. 90% der Kinder die jeweilige Fähigkeit erworben haben.
Es ist wichtig zu verstehen, dass der Begriff „Grenzstein“, das Minimum an Wörtern zu einem bestimmten Entwicklungszeitpunkt definiert. Diese Fähigkeiten sind also bei den meisten Kindern dieser Altersgruppe - nämlich bei 90% - 95% zu erwarten. Das heißt: lediglich 10% aller Kinder haben diesen Grenzsteinstein in diesem Alter nicht erreicht! Ca. 50% aller Kinder einer Altersgruppe sprechen deutlich mehr Wörter als die durchschnittliche Anzahl des Grenzsteins für ihr Alter angibt. Und Studien zeigen, dass ca. 25% aller Kinder mit ihren sprachlichen Leistungen sehr weit über den Grenzsteinangaben liegen (The MacArthur-Bates Assessment, 2007).
Schau dir nachfolgende Sprachentwicklungstabelle zum Wortschatz an:
Wortschatz bei Kindern: Was zählt eigentlich als „Wort“? ⠀
Eine Äußerung zählt als Wort, wenn Dein Kind sie:
1) KONSISTENT, also regelmäßig für ein und dasselbe Objekt oder eine Handlung nutzt.
2) ABSICHTSVOLL einsetzt, also im richtigen Kontext verwendet.
3) EIGENSTÄNDIG verwendet, also nicht nachgesprochen und auch nicht nur 1x zufällig, sondern mehrfach spricht. Auch Vereinfachungen von Wörter wie „Ba“ für “Ball“ oder Lautmalereien, wie „wauwau, mäh, muh, brum“ zählen als Wörter!⠀
Meilensteine im Wortschatz mit 1 Jahr, 18 Monaten, 2 Jahren, 3 Jahren
Das erste Wort: Was beginnen Kinder zu sprechen?
Die meisten Kinder sagen ihre ersten Wörter (in der Regel Mama und Papa) um den 12. Lebensmonat. Mädchen beginnen ca. 1 Monat früher zu sprechen als Jungen. Das muss aber nicht auf jedes einzelne Kind auch genau so zutreffen. Nicht alle Jungen sind späte Sprecher und nicht alle Mädchen sprechen früh und viel!
Dann lernen die Kinder durchschnittlich 3-5 neue Wörter pro Woche hinzu. So dass Sie mit eineinhalb Jahren ca. 50 Wörter sprechen können.
Wieviele Wörter sprechen Kinder mit 18 Monaten?
Die Variabilität in der frühen Sprachentwicklung ist jedoch groß. Ein Beispiel: Ida und Paul sind beide 18 Monate alt. Beide scheinen Sprache gut zu verstehen. Ida spricht bereits 50 Wörter. Paul hingegen erst 15 Worte. Trotz dieser Diskrepanz befinden sich beide aktuell im „Normbereich“. Dennoch sollten wir die Entwicklung von Paul bis zu seinem zweiten Geburtstag gut im Auge behalten und ihn proaktiv unterstützen.
Wortschatz mit 2 Jahren
Mit 24 Monaten sollten Kinder mindestens 50 Wörter sprechen!
Als Meilenstein zum 2. Geburtstag gilt also: 50 Wörter zu sprechen und 2 Wörter miteinander kombinieren zu können.) Bei 15 - 20% aller zweijährigen Kinder ist die Sprachentwicklung verzögert. Sie haben das Minimum an 50 Wörtern nicht erreicht. Diese Kinder nennt man Late Talker und sie tragen ein hohes Risiko für eine Sprachentwicklungsstörung! Deshalb untersucht auch der Kinderarzt zur U7 und U7a mittels einer Wörterliste den Wortschatz deines Kindes. Hier kannst du mehr über Late Talker erfahren.
Grenzstein nicht erreicht: Mein Kind redet nicht genug
Wenn dein Kind einen Gernzstein nicht oder nur gerade so erreicht hat, sollest du proaktiv sein! Denn 90% aller Kinder seines Alters sind weiter entwickelt, während nur 10% seiner Altersgenossen gleich gute oder schlechtere Leistungen zeigen! Und ein vielfältiger Wortschatz ist unerlässlich für die Entwicklung der Grammatik. Ebenso beeinflusst der Wortschatz die Aussprache und die Schriftsprachfähigkeiten.
Daher empfehlt sich in diesem Fall IMMER die Abklärung beim Kinderarzt und einer Sprachtherapeutin/Logopädin. Hinter einer verzögerten Sprachentwicklung können auch andere Grunderkrankungen (z.B. Hörstörung) oder Entwicklungsstörungen stecken, die es abzuklären gilt! Und auch spezifische Sprachstörungen bedürfen einer kompetenten Behandlung! Erst im Rahmen einer fachlichen Untersuchung kann festgestellt werden, ob sich das Kind auf dem richtigen Weg befindet oder Anschubhilfe (z.B. Sprachtherapie, Elternanleitung uvm.) benötigt.
Ist Logopädie für Kleinkinder ab 2 oder 3 Jahren sinnvoll?
JA! Denn je länger eine Verzögerung besteht, desto schwieriger wird es sie aufzuholen. Man kann nicht vorhersagen wann Late Talker anfangen zu sprechen. Frühe Sprachtherapie ist wirksam! Die Behandlung muss dabei übrigens nicht immer eine direkte Therapie mit dem Late Talker sein. Ausschlaggebend ist auch der Familienalltag!
Eltern spielen eine zentrale Rolle für die Sprachentwicklung
Studien weltweit zeigen, dass Logopädie zu Hause eine Wunderwaffe ist! Längst ist wissenschaftlich belegt: Wenn Eltern über die richtigen Werkzeuge verfügen, werden die Sprachfähigkeiten des Kind erheblich erweitert! Du hast enorm großen Einfluss auf die gesunde Entwicklung deines Kindes! Deshalb habe ich als erfahrene Kinderlogopädin, die Sprachgold Video-Onlinekurse und Beratungsangebote entwickelt. Hier lernst du effektive Strategien und Übungen, die du leicht in euren Alltag integrieren kannst, um nachweislich die Sprachentwicklung deines Kindes zu fördern!
Fenson, L., Marchman, V. A., Thal, D. J., Dale, P. S., Reznick, J. S., & Bates, E. (2007). MacArthur-Bates communicative development inventories (2nd ed.). Baltimore: Paul H. Brookes.
Kauschke, C. (2012): Kindlicher Spracherwerb im Deutschen: Verläufe, Forschungsmethoden, Erklärungsansätze. De Gruyter.
Buschmann, A. & Sachse, S. (2017): Frühdiagnostik von Sprachentwicklungsstörungen – differenzialdiagnostisches Vorgehen und Methoden. Frühförderung interdisziplinär 2.
Ellis EM & Thal, DJ. (2008): Early language delay and risk for language impairment. Prospect lang learn ed. 15 (3): 93-100.