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Die Verbale Entwicklungsdyspraxie (VED) - wenn Eltern ihr Kind nicht verstehen

Wenn Kinder nicht oder kaum verständlich sprechen, kann eine seltene und schwere Sprachstörung dahinter stecken - die verbale Entwicklungsdyspraxie - kurz VED.


In diesem Artikel erfährst du:

  1. Was ist eine verbale Entwicklungsdyspraxie?

  2. Wie sprechen Kinder mit einer verbalen Dyspraxie?

  3. Woher kommt eine verbale Entwicklungsdyspraxie - was sind die Ursachen?

  4. Wie wird eine verbale Entwicklungsdyspraxie festgestellt - gibt es Tests?

  5. Welche Therapie und Übungen brauchen Kinder mit einer VED?

  6. Ist die verbale Entwicklungsdyspraxie heilbar?

1. Verbale Entwicklungsdyspraxie - Was ist das? (Definition)

Eine verbale Entwicklungsdyspraxie ist eine angeborene Störung des Sprechens bei Kindern. Durch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) wird die Sprachstörung im ICD-10 Katalog unter F80.0, F80.9 oder R48.2 gelistet. „Verbal“ meint die Sprechbewegungen und „Dyspraxie“ die Störung der Bewegungsplanung und -Koordination bzw. der -Programmierung. Betroffene Kinder haben also Probleme mit der Sprechbewegungsplanung und -programmierung. Die Kinder kennen die Wörter und verstehen Sprache gut, können jedoch das Sprechen von Lauten und Wörtern nicht planen und ausführen. Folgendes Zitat verdeutlicht die VED sehr gut:

„My mouth won’t cooperate with my brain …“ 
(vgl. Stackhouse u. Snowling).

Ist die verbale Entwicklungsdyspraxie eine Behinderung?

Die geistigen Fähigkeiten sind nicht eingeschränkt. Aber je nach Definition und Ausmaß der Störung kann von einer Behinderung gesprochen werden. Denn die Sprachstörung schränkt die Teilhabe und Aktivität im Alltag des Kindes stark ein. Das Ausmaß einer VED kann von einer leichten Form der dyspraktischen Komponente, die auch ein Teil einer anderen Sprach- oder Sprechstörung sein kann, bis hin zu einer schweren Dyspraxie mit massiven lautlichen Schwierigkeiten (Probleme bereits Einzellaute nachzusprechen) und kaum verständlicher Aussprache, reichen.

Je nach Schweregrad besteht die Möglichkeit einen Schwerbehindertenausweis beim Landesamt für Soziales und Familie (Versorgungsamt) zu beantragen. Durch den Ausweis gibt es Steuererleichterungen und andere Vorteile, die den Familienalltag vereinfachen können. Zusätzlich kann auch je nach Schweregrad eine Pflegestufe bei der Krankenkasse beantragt werden.


2. Wie sprechen Kinder mit einer verbalen Entwicklungsdyspraxie - was sind die Symptome?

Erste Anzeichen einer verbalen Entwicklungsdyspraxie zeigen sich meist schon im Säuglingsalter. Die Babys brabbeln und lallen kaum. Sie sprechen später und ihre

weitere sprachliche Entwicklung verläuft schleppend oder stagniert (Late Talker).

Die Kinder sprechen nur wenige Laute, entwickeln oft eine Art Vokalsprache, bei der die Konsonanten fehlen (z.B. „Oaaaa“, „Eeea“). Sie haben Probleme Laute miteinander zu verbinden. Eltern berichten oft über eine Phantasiesprache, die selbst sie nicht gut verstehen können. Die Kinder sprechen ein Wort immer wieder anders aus (z.B. Bär, Bai, Räm, …), was die Aussprache sehr unverständlich macht.

Sie haben ein Störungsbewusstsein, das heißt sie merken, dass ihnen das Sprechen schwer fällt und dass andere sie nur schwer verstehen können. Dennoch sind sie kommunikationsfreudig und versuchen sich „mit Händen und Füßen“ zu mitzuteilen.

Das Nicht-Verstanden-werden führt auf Dauer jedoch häufig zum Verlust der Sprechfreude und zu sprachlichem Rückzug, was sich negativ auf die sozial-emotionale Entwicklung des Kindes auswirken kann.

Die VED wirkt sich auf die gesamte Sprachentwicklung aus. Da die Automatisierung der Sprechbewegungsmuster gestört ist, gelingt es den Kindern nicht, einzelne Laute zu einem Wort zu verbinden. Infolgedessen wird auch die Entwicklung der Satzstrukturen gestört.

Häufig zeigen sich auch Auffälligkeiten beim Stillen, Trinken und Essen. Viele Eltern berichten auch, dass ihr Kind auch motorisch ungeschickt ist, also Kennzeichen einer allgemeinen Dyspraxie aufweist.


3. Woher kommt die verbale Entwicklungsdyspraxie? - Ursachen

Die Ursachen der VED sind bislang noch ungeklärt. Studien legen nahe, dass die verbale Entwicklungsdyspraxie genetisch verursacht ist. Diskutiert wird auch eine Stoffwechselstörung als Ursache. Es gibt zudem Hinweise, dass Komplikationen während der Schwangerschaft und Geburt (z.B. perinatale Hypoxie), Infektionen während der Schwangerschaft, Wachstumsstillstand des ungeborenen Kindes, Frühgeburt oder geringes Geburtsgewicht eine verbale Entwicklungsdyspraxie begünstigen.



4. Wie wird die Verbale Entwicklungsdyspraxie festgestellt?

Gibt es einen Test und wer stellt die Diagnose?

In der logopädischen Diagnostik untersuchen Logopäden verschiedene Teilbereiche für die Diagnose einer verbalen Enticklungsdyspraxie. Nach einer ausführlichen Anamnese und Beobachtung werden u.a. folgende Untersuchungen gemacht:

  • Sprachverständnis

  • Lautbestand (Welche Laute verwendet das Kind und welche lässt es weg?)

  • Konstistenzermittlung und Fehlerquote

  • Freies Sprechen

  • Nachsprechleistungen (Therapeut spricht vor und Kind spricht nach)

  • Diadochkinese

  • Lautwechsel

  • Automatisierte Sprache bzw. Reihensprechen

  • Mundmotorik

5. Welche Therapie und Übungen brauchen Kinder mit einer VED?

Die Therapie der verbalen Entwicklungsdyspraxie unterscheidet sich grundlegend zu der von anderen Sprachstörungen. Die Kinder brauchen eine multisensorische Assoziationstherapie. Damit das motorische Muster besser gespeichert, schneller geplant und abgerufen werden kann, braucht es verschiedene taktil-kinästhetische Hilfen zu jedem einzelnen Laut. Im Folgenden wird dies für den Laut „F“ beispielhaft dargestellt:

  • das geschriebene „F“

  • semantische Verknüpfungen für "F"

  • das Mundbild, welches zeigt, wie das "F" gebildet wird

  • eine Lautgeste für „F“

Ebenfalls müssen Silben und Wörter erarbeitet werden. Es braucht eine hohe Anzahl an Wiederholungen. Die Kinder benötigen hochfrequente Therapie und tägliches Üben, um die Sprechbewegungen im Gehirn zu speichern. Eltern und Therapeutin müssen also eng zusammenarbeiten. Häusliches Übung ist enorm wichtig.


6. Ist die verbale Entwicklungsdyspraxie heilbar?

Kinder mit verbaler Entwicklungsdyspraxie fallen durch ihre „Therapieresistenz“ auf. Das ist jedoch immer ein Zeichen dafür, dass nicht die richtige Therapiemethode ausgewählt wurde. Denn mit der richtigen Therapie, machen auch Kinder mit VED sprachliche Fortschritte.

Die Spracheherapie ist jedoch sehr langwierig und übungsintensiv. Je eher die Kinder therapeutisch behandelt werden, desto besser sind die langfristigen Erfolge. Eine vollständige Heilung wird in der Regel nicht erreicht. Im Schulalltag zeigen die Kinder häufig allgemeine Lernschwierigkeiten. Besonders das Lesen oder Buchstabieren fällt den betroffenen Kindern schwer. Die Kinder brauchen also langfristig Unterstützung, da mit den steigende Anforderungen an das Sprachsystem, immer wieder Schwierigkeiten auftreten können.

 

Sie haben noch Fragen zur verbalen Entwicklungsdyspraxie und die verschiedenen Therapiemöglichkeiten? Ich bin für Sie da! Ich leite Sie gern an, erstelle spezifische Übungen und Alltagsideen, mit denen Sie Ihr Kind in der Sprachentwicklung zu Hause unterstützen können. Ihr Kind braucht Logopädie? Vereinbaren Sie gern einen Termin! Online oder vor Ort in meiner Praxis für Logopädie und Legasthenie


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