Die Frage der Fragen: Soll ich meinem Baby einen Schnuller geben - ja oder nein? Um diese Frage beantworten zu können, braucht es einiges an Hintergrundwissen. Das bekommst du hier und am Ende dieses Artikels wirst du eine bedürfnisorientierte Entscheidung für oder gegen den Schnuller treffen können.
Warum gibt es Schnuller?
Braucht mein Neugeborenes Baby einen Schnuller?
Welche Vor- und Nachteile hat der Schnuller?
Ist der Schnuller schädlich für Kiefer und Zähne?
Was hat der Schnuller mit der physiologischen Zungenruhelage zu tun?
Was hat der Schnuller mit der Sprachentwicklung zu tun?
Kiefergerecht, Kirschform, Symmetrisch - Welcher Schnuller ist der Richtige?
Wann und wie sollte ich den Schnuller abgewöhnen?
Warum gibt es Schnuller: Das Saugbedürfnis des Säuglings
Dein Neugeborenes hat ein angeborenes Saugbedürfnis. Das Saugen ermöglicht das Trinken, aktiviert das Verdauungssystem. Es gibt aber auch das sogenannte non-nutritive Sauge. Das hilft deinem Baby dabei, sich zu regulieren, z.B. beim Einschlafen oder wenn Schmerzen hat oder es sich unwohl fühlt. Durch den Schnuller kann das non-nutritive Saugen gestillt werden.
Braucht jedes Baby einen Schnuller?
Nein! Jedes Baby saugt, aber nicht jedes Baby muss sein Saugbedürfnis an einem Schnuller stillen. In Kulturen, in denen Mütter ihre Babys immer bei sich tragen, haben die Säuglinge immer Zugang zur Brust, sodass ein Brustersatz in Form von Schnullern nicht notwendig ist. Schnullern entspricht auch gar nicht dem Saugen an der Brust, weshalb sich Kiefer- und Gesicht anders entwicklen, als sie es physiologisch tun würden. Brustwarze und Babymund passen sich einander an. Beim Saugen an der Brust wirken Kräfte nach Außen, beim Saugen am Schnuller wirken sie nach innen. Dies hat eine grundlegend unterschiedliche Wirkung auf die Physiologie und Anatomie des kindlichen Kopfes. Dein Baby möchte keinen Schnuller oder er fällt immer aus dem Mund? Super! Provoziere den Gebrauch nicht!
Was passiert beim Saugen am Schnuller?
Was sind mögliche Nachteile des Schnullers?
Die Saugverwirrung
Forschungen zeigen, dass der Schnuller den Stillstart und die Milchbildung anfangs schwieriger machen kann. Das Dauernuckeln am Schnuller kann dazu führen, dass Hungerzeichen vom Baby nicht rechtzeitig wahrgenommen werden. Das Baby gewöhnt sich dann an gewisse Fastenperioden, die nicht physiologisch sind. Auch kann das Baby verwirrt werden durch die Unterschiede in Form und dem Saugen zwischen Brust und Schnuller. Es besteht das Risiko, dass sich Babys mit Schnullern früher abstillen.
Schädlich für die Orale Phase
Die orale Phase des Kindes ist u.a. für das Erleben der Umwelt wichtig. Das Baby erfährt seine Welt durch alle Sinne. Dazu gehört, dass es Dinge in den Mund nimmt und mit dem Mund ertastet (Sensomotorik). Dabei lernt es auch die Augen und Hände zu koordinieren. Wenn ein Baby häufig schnullert, fällt diese Stimulation des Gehirns leider weg, da es in dieser Zeit keine anderen Dinge oral erkunden kann.
Falsche Zungenruhelage
Das Kind kann schnullernd den Mund nicht physiologisch schließen. Die Zunge kann ihre normale physiologische Zungenlage oben am Gaumen nicht einnehmen, da der Schnuller im Weg ist. Welche Folgen hat die falsche Zungenruhelage?
Orofaziale Störung
Ist der Schnuller im Mund liegt die Zunge schlaff am Mundboden. Die falsche Ruheposition führt zu einer fehlerhaften Kieferstellung; der Mundschluss fehlt. Die Kinder atmen häufig durch den offenen Mund, statt durch die Nase. Die Zungen,-Wangen- und Lippenmuskulatur erschlafft (hypotone Muskulatur). Auch kann die Zunge ihre formende Kraft am Gaumen nicht ausüben, wodurch der Gaumen hoch und schmal wird, was wiederum negative Auswirkungen auf die Nasenatmung und auf die Gesichtsform deines Kindes hat.
Schluckstörung
Dein Baby kann das richtige Schlucken nicht lernen, wenn es ständig den Schuller im Mund hat. Häufig drückt die Zunge beim Schlucken an oder zwischen die Zähne. Und wir schlucken sehr häufig - auch wenn wir nicht essen, denn unser Speichel muss abgeschluckt werden! Das falsche Schluckmuster hat ist schädlich für die Zähne, den Kiefer und den Gaumen.
Fehlstellungen bei Zähnen und Kiefer
Krumme Zähne? Überbiss? Offener Biss? Kreuzbiss? Zu Enger Kiefer? Die meisten Kiefer- und Zahnfehlstellungen sind erworben und nicht angeboren. Nämlich durch schlechte Gewohnheiten, wie das falsche Schlucken, die falsche Zungenruhelage, den Schnuller, Daumenlutschen usw. Du kennst sicher den Ausdruck "lutschoffener Biss"? Eine Zahnspange wird übrigens erst dann langfristig die Zähen richten können, wenn in der Logopädie die myofunktionelle Störung erfolgreich behandelt worden ist.
Mundatmung
Wenn dein Baby oder Kind durch den Mund atmet, erhöht das sein Infektionsrisiko (bakterielle Infekte, Mittelohrentzündung, Bronchitis, Mandelentzündungen, Polypen etc.). Denn die Luft strömt ungefiltert in den Organismus. Vergrößerte Rachen- und Gaumenmandeln erschweren das Atmen durch die Nase, wodurch dein Kind immer häufiger auf die Mundatmung zurückgreifen muss. Ist der Mund ständig offen, kann dein Kind zudem nicht die richtige Zungenruhelage einnehmen. Ein Teufelskreis entsteht, der alle oben genannten schädlichen Auswirkungen nach sich ziehen kann.
Sprachentwicklung: Macht ein Schnuller Sprachprobleme?
Sind Zungen- Lippen- und Wangenmuskulatur in ihrem Zusammenspiel gestört, weil die Muskulatur zu schlaff (hypoton), in ihrer Bewegung und in ihrer Kraft eingeschränkt ist, beeinflusst das natürlich auch das Sprechen. Denn für die Bildung von Sprachlauten müssen Lippen, Zunge, Wangen präzise und koordiniert miteinander arbeiten. Die häufigsten Sprachstörungen durch den Schnuller sind ein Sigmatismus oder Schetismus. Das bedeutet eine Fehlbildung der Zischlaute /s, z, sch, ch/; im Volksmund auch „lispeln“ genannt. Es können aber auch andere Laute betroffen sein, z.B. /n t d/
Was Du auch bedenken solltest: Kinder, die ständig den Schnuller im Mund haben, sprechen weniger! Das bedeutet, es entstehen weniger Dialoge, in denen dein Baby das Sprechen lernen kann. Denn wenn ein Kind ruhig ist und weniger die Initiative zur Kommunikation ergreift, spricht auch sein Umfeld weniger mit ihm. So geht wichtige sprachliche Anregung und Übung verloren.
Hat der Schnuller auch Vorteile?
Es wird vermutet, dass der Schnuller einen positiven Einfluss auf die Schlaftiefe und Erweckbarkeit des Babys hat (Stichwort: plötzlichen Kindstod). Dies trifft allerdings nur auf nicht-gestillte Säuglinge zu. Man sollte daraus also nicht schlussfolgern, dass alle Kinder von einem Schnuller profitieren!
Welcher Schnuller ist der Richtige? Tipps für den Schnullerkauf
Du suchst den besten Schnuller für dein Kind, der weder Kiefer noch Zähnen schadet? Eins vorab: Einen kiefergerechten Schnuller gibt es nicht! Jeder Schnuller hat Auswirkungen! Das gilt übrigens auch für das Nuckeln am Finger bzw. das Daumenlutschen.
Die Form des Schnullers: rund, flach, abgeschrägt?
Das Saugteil sollte klein, symmetrisch, flach und weich sein, damit es sich dem Babymund anpassen kann und so wenig Platz wie möglich im Mundraum einnimmt! Die Zunge bleibt somit beweglich und wird nicht nach unten gedrückt.
Das Lippenschild sollte weich, klein, gerade und flexibel sein. Mit Nasenaussparung für die Atmung und Ventilen für die Haut.
Der Schaft sollte schmal und weich sein. Die Lippen müssen den Schnuller halten können. Wenn die Lippen den Schnuller nicht halten können, dann wird der Schnuller durch die Zunge festgehalten, das stört das oben genannte Gleichgewicht der Mundmuskulatur noch mehr.
Achte auf das Gewicht des Schnullers. Ist er zu schwer, überfordert er die Lippen- und Zungenmuskulatur. Achtung: vermeide Schullerketten! Sie sind zu schwer und außerdem ist der Schnuller dann immer verfügbar!
Das Material des Schnullers
Silikon, Latex oder Kautschuk? Silikon hat den Vorteil, dass es geruchs- und geschmacksneutral, langlebig und hitzebeständig ist. Silikon ist nicht so elastisch und weniger reißfest. Latex und Kautschuk sind Naturprodukte, reiss- und bissfest, weich und strapazierfähig. Allerdings haben sie oft einen Beigeschmack und ein höheres Allergierisiko.
Welche Schnullergröße soll ich nehmen?
Wann ist ein Schnuller zu klein? Ein Schnuller sollte nicht mitwachsen - das tut die Brust auch nicht. Du musst also nicht auf die größere Größe wechseln, ein kleiner Schnuller ist nicht schädlicher, im Gegenteil! Der Schnuller sollte so wenig Platz wie möglich im Mund einnehmen, also bleibe bei der kleinsten Größe! Außer bei Schnullern mit Dentalstufe; hier musst du wechseln. Achte auch unbedingt darauf, dass der Schnuller groß genug ist, um nicht in den Kindermund zu geraten, sonst droht Erstickungsgefahr!
(Ab) Wann und wie lange darf mein Baby den Schnuller nehmen?
Gib deinem neugeborenen Babys nicht sofort einen Schnuller. Es wird empfohlen, den Schnuller in den ersten 4-6 Wochen, also bis das Stillen etabliert ist, nicht zu geben (Saugverwirrung). Versuche also eine Umgebung zu schaffen, die es Euch erlaubt, das Saugbedürfnis Deines Säuglings natürlich mit der Brust zu befriedigen.
Jedes Kind ist anders. Wenn Dein Kind den Schnuller schon früher benötigt, dann gehe reflektiert und achtsam mit der Situation um! Das heißt: So wenig wie möglich, aber wenn nötig. Zum Beispiel: Zum Einschlafen und dann vorsichtig aus dem Mund rausnehmen. Oder bei Bedarf, z.B. wenn sich das Baby anderes nicht beruhigen lässt.
Vermeide es, Deinem Kind den Schnuller einfach in den Mund zu schieben, wenn er rausgefallen ist! Vielleicht braucht es den Schnuller gerade gar nicht!
Gewöhne Deinem Kind nicht an, dass es immer und zu jeder Zeit einen Schnuller an der Hand hat (also keine Schnullerkette). Denn sonst machst du aus einem vorübergehenden Bedürfnis eine (schlechte) Angewohnheit. Und eine lieb gewonnene Gewohnheit einzustellen ist schwer! Das kennen wir selbst nur zu gut, oder?
FASSEN WIR ALSO ZUSAMMEN:
Das Saugen am Schnuller ist nicht dasselbe wie das Saugen an der Brust!
Je länger und häufiger dein Kind einen Schnuller hat, desto schädlicher ist das für die orofaziale Muskulatur, das Schlucken, den Kiefer und die Zähne deines Kindes.Den perfekten Schnuller gibt es nicht! Der Schnuller ist Medizin und jedes Medikament hat eine Wirkung. Achte daher auf einen wohldosierten Einsatz!
Die Schwere der schädlichen Auswirkungen des Schnullers hängt von der Intensität, Häufigkeit und Dauer seiner Verwendung ab.
Dein Kind sollte so wenig wie möglich und nur wenn nötig den Schnuller haben. Vermeiden den Schnuller insbesondere am Tag bzw. in der Wachszeit.
Gewöhne den Schnuller spätestens ab, wenn die Zähne kommen! Aller spätestens zum 2. Geburtstag!
Es ist wie so oft: Der richtige Weg liegt in einem reflektierten und ausgewogenen Umgang!
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Zum Ansehen:
Mit Irina Kaiser, Stillberaterin und zertifizierter Babyschlafcoach, (www.babyschlafschule.de) habe ich ausführlich über das Thema Schnuller oder Daumen in einem Video-Interview gesprochen. Du kannst Dir das Interview hier ansehen.
Und auf meinem Instagram-Kanal findest du im Highlight "Schnuller" ein Demonstrations-Video wie der Schnuller im Mund wirkt.
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